[…] Bei dem Künstler Mathias Meinel gibt es […] die Kostbarkeit des gestalteten Kunstwerks, das in seinem Fall aus Begegnungen mit ausgewählten Motiven in der Natur entstanden ist. Meinel ist seit wenigen Jahren als junger Nachwuchsmaler Mitglied der Künstlergruppe der Norddeutschen Realisten. In dieser Gruppe wird die vor Augen liegende Realität nicht eins zu eins abgebildet oder gar fotografisch wiederholt. Auf die Verwandlung der Motive kommt es an. Nur auf diese Weise entspringt das Kunstwerk einem schöpferischen Akt.
Die Verwandlung zu einer eigenen Deutung des gewählten Motivs wird von den Künstlern unterschiedlich geleistet, und sie ist daher mit dem Begriff „Realismus“ nicht erklärt. Meinel sieht mit frischen Augen in die Landschaft, die ihn mit ganz schlichten Seiten anzieht. Stoppelfelder, Knicks, Matsch und Ackerfurchen – immer wieder findet er Licht und seine Reflektion im Unspektakulären. Als wäre es seine Antwort auf die uns umgebende Werbewelt des Konsums, der Traumstrände und Kreuzfahrten, führt er zunächst einmal sich selber, dann aber auch die Betrachter seiner Bilder in die Welt des Unspektakulären und lehrt uns, darin Kostbarkeiten für Auge und Seele zu finden.
Er kann ein Detaillist sein. Die herrliche Folge der Tümpelbilder steht dafür. Die kraftvoll aufgetragenen pastosen Striche der Zweige und Halme fügen sich zu einer abstrakten Komposition und bilden eine musikalische Folge in ihren Verschränkungen, Überkreuzungen und beginnen erneut in den Reflektionen dieser Konstellationen in der Wasserfläche. Gebannt schauen wir zu und lauschen mit den Augen den angestimmten Melodien.
Der Künstler weitet durchaus den Blick ins Ganze. Hier schildert er auch die Zusammenhänge des Lichtes in großem Maßstab. Wir erfahren etwas vom Urgrund der nährenden Mutter Erde und von der Pracht des Lichtes, das Bilder aus Gestalt und Schatten zusammensetzt, wie es in den „Bäumen im Gegenlicht“ so hervorragend gelungen ist.
Erneut lernen wir: „Die Sehenden haben eine ganze Welt. Die Nichtsehenden immer nur ihre eigene“ (Wolfgang Klähn).
von Thomas Gädeke, November 2021
Der nach unten gerichtete Blick erfasst den Himmel – das Wasser, das sich in den Ackerfurchen gesammelt hat, spiegelt ihn. Die Fokussierung auf ein Stück Erde wird durch diese Spiegelung durchbrochen. Zahlreiche Arbeiten Mathias Meinels variieren dieses Motiv, das auch ein Spiel mit der Bildoberfläche ist. Oben und unten sind vereint.
Stehendes Wasser ist das Thema aller Werke dieses Kataloges. Die Umsetzung ist vielfältig und oft unerwartet: Es liegt eine gewisse Chuzpe darin, einen Tümpel als bildwürdig zu erachten und eine Pfütze als Lichtphänomen zu begreifen. Und natürlich ist es eine Romantisierung, könnte doch Novalis‘ berühmte Forderung
„[…]dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein[…]“
zu geben, kaum konsequenter umgesetzt werden, als in einem Bild, das eine Wasserlache darstellt und doch Weite und Zeitlosigkeit vermittelt. Zugleich ist es eine gänzlich moderne, eigenständige und überzeugende Bildidee.
Ausgangspunkt dieser Werke sind Kulturlandschaften – nicht unberührte Natur, sondern vom Menschen geformtes Land. Damit wird künstlerisch gearbeitet. Die linearen Strukturen der Furchen brechen oder unterstreichen die Perspektive und schaffen Dynamik, indem sie den Blick in die Bildtiefe ziehen. Eine Dynamik, die durch die Pinselführung betont wird. Dazu spielen das Wetter, die Pfützen, die der Regen hinterlassen hat, sowie die aufgerissene Erde eine zentrale Rolle. Das Raue, Herbe wird hervorgehoben. Nicht das wogende, sondern das abgeerntete Feld wird studiert. Wo die Reihen der Maisstoppel in Nahsicht zu sehen sind, ist die Grenze zwischen Gegenständlichem und Abstraktem ausgelotet. Die Struktur der Bildfläche, der Rhythmus der Linien und die Materialität der Farbe werden, gerade in den neueren Werken, zum eigentlichen Thema. Diese Struktur ist aus dem Motiv entwickelt, das Meinel neu sieht, aber nicht verfremdet.
Die Begeisterung für die Natur und das Ursprüngliche ist dabei jederzeit als künstlerischer Antrieb klar zu erkennen. Aus dem, was nicht a priori als schön empfunden wird – grauer Himmel, Pfützen, zerfurchter Boden – wird bildnerische Schönheit gewonnen. Die haptische Qualität der Erde, das spiegelnde Wasser, der Wind, den der Betrachter im Zug der Wolken erkennt, vermitteln ihm sinnliche Eindrücke. So entstehen Landschaftsbilder, die ins 21. Jahrhundert passen.
von Stefanie Wiech, Kunsthistorikerin M.A. Hamburg, 2016
Wasser – Flusslandschaften, offenes Meer, überschwemmte Äcker, Bachläufe, Pfützen, Tümpel, Häfen. Sowohl die frühen Arbeiten als auch die aktuellen Landschaftsbilder von Mathias Meinel sind geprägt durch ein motivisches Element, das in seiner Eigenart und Vielseitigkeit dem Künstler einen großen, nahezu unerschöpflichen malerischen Spielraum lässt und in seinem Werk immer wieder in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen auftritt: als klarer, strömender Fluss, wellig bewegte See, brackiges, stehendes Gewässer, matschige Pfützen. Wasser als ein regelmäßig wiederkehrendes landschaftliches Motiv findet im Werk von Mathias Meinel seinen – man möchte sagen – steten Niederschlag, fasziniert den Künstler und stellt ihn immer wieder vor neue Herausforderungen, wenn das Licht sich verändert, der Wind zunimmt, der Regen kommt. Und doch stellt das Thema kein Motiv dar, das Mathias Meinel wie andere Künstlerkollegen allein ins Bild setzt. Es bleibt stets ein – wenn auch bestimmendes – Element des großen Ganzen, das beinahe unaufdringlich zum eigentlichen Bildmittelpunkt avanciert.
Nehmen wir zum Beispiel die von Tauwetter und Regen durchweichten Wiesen und Äcker: Sie sind ein ganz typisches, charakteristisches Merkmal unserer Landschaft, die uns vor allem im Frühjahr und Herbst überall begegnen, sobald wir die Stadt auf der Landstraße verlassen. Von dem Vorbeifahrenden kaum beachtet, widmet sich Mathias Meinel dagegen mit einer besonderen Faszination den überschwemmten Feldern, die mit den Ackerfurchen und den nach der letzten Ernte stehengebliebenen Halmen im ersten Augenblick verlassen und vernachlässigt wirken, nach und nach aber eine ganz eigene Ästhetik entwickeln. So werden vermeintlich unspektakuläre, alltägliche, möglicherweise sogar unattraktive Motive auf einmal zu durch und durch bildwürdigen Themen, die das künstlerische Interesse wecken und eine zuvor verkannte landschaftliche Schönheit offenbaren. Vielleicht liegt es daran, dass der Betrachter sich in diesen Momenten dem Ursprünglichen in der Natur ganz nahe fühlt und die endlose Weite spürt, dass er den Standpunkt des Künstlers einnimmt, sich scheinbar mittendrin in der Landschaft befindet. Ja, man meint in vielen dieser Bilder das schmatzende Geräusch von Gummistiefeln im matschigen, schweren Ackerboden zu hören.
Mathias Meinel malt seine Landschaftsbilder häufig pleinair – ein Umstand, der die Distanz zwischen Motiv und Künstler auf ein Minimum schmelzen lässt. Denn Reflexionen auf den Wasseroberflächen, nebelfeuchte Morgenluft am Feldrand, durchbrechendes Sonnenlicht nach dem großen Regen am Horizont werden unmittelbar erlebt; wechselnde Lichtverhältnisse und atmosphärische Stimmungen lassen sich auf diese Weise beinahe ungefiltert auf die Leinwand bannen und vermitteln dem Betrachter von Mathias Meinels Landschaftsbildern ein besonderes Gefühl des Daran-Teilhabens. Diese Authentizität in der Wiedergabe des Gesehenen, die kraftvolle und doch einfühlsame Darstellung des unmittelbar Erlebten findet ihren Ausdruck in einem Wechselspiel von feinen, pastosen Pinselstrichen, mit denen die landschaftliche Umgebung in ineinandergreifenden Farbnuancen wiedergegeben wird, und großzügigen, die glänzenden Wasseroberflächen wiederspiegelnden breiten Farbstrichen. Der dadurch entstehende Kontrast in der Art des Farbauftrags spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters und lässt die Bäume, Blätter und Gräser dreidimensional bewegt erscheinen, während sich das Wasser – ob Pfütze oder Flusslauf – als stilles und zugleich dominierendes Element in das landschaftliche Bild einfügt.
Mathias Meinel hat ein besonderes Gespür für das Unspektakuläre und doch Wesentliche seiner landschaftlichen Umgebung und versteht es, dies mit einem an der Natur geschulten Blick in seiner ihm eigenen Weise künstlerisch wiederzugeben – unverwässert.
Dr. Julia Hümme, Eutin, 2020